Freitag, 14. Mai 2010

Mehr Kingston, weniger Düsseldorf: Ein Kommentar zur Landtagswahl in NRW

Vor wenigen Tagen ist in Nordrhein-Westfalen der Landtag gewählt worden. Schwarz-Gelb, die Regierung Rüttgers, die 2005 triumphal angetreten war das Land zu sanieren und „Privat vor Staat“ in der Herzkammer der Sozialdemokratie zu verwirklichen, ist abgewählt worden. Nicht mit einem Paukenschlag, wie uns Hannelore Kraft weismachen möchte, sondern auf leisen Sohlen. Die CDU hat verloren, satte 10.2 Prozent. Doch davon, dass die SPD „wieder da“ sei, kann keine Rede sein. Vielmehr ist das katastrophale Ergebnis von 2005 sogar nochmal unterboten worden. Es sind erstaunliche Parallelen festzustellen mit der Wahl in Großbritannien zwei Tage vor dem Urnengang in NRW: Auch dort ist die Regierung abgewählt worden, doch auch dort gibt es keinen strahlenden Sieger. Es ist eine Wahl, in der es jeder hinbekommen hat zu verlieren.

„Moment!“, rufen da die Grünen. „Wir haben doch 5.9 Prozent hinzugewonnen und unser Ergebnis fast verdoppelt.“ In der Tat, die Grünen können mit ihrem Ergebnis zufrieden sein. Nichtsdestotrotz hat es für Rot-Grün nicht gereicht, für die „trendige“ Koalition Schwarz-Grün a la Hamburg ebenso wenig. Für eine Regierung mit der Linkspartei würde es natürlich reichen. Doch jetzt liegt es an Hannelore Kraft sich die gleiche Frage zu stellen wie 90 Jahre zuvor Lenin: Was tun?


Es ist ein Vabanque-Spiel für die SPD-Spitzenkandidatin, das linke Spiel mit dem Feuer zu betreiben und sich auf ein Geschäft mit dem Teufel einzulassen. Da die CDU in einer möglichen Großen Koalition den Posten des Ministerpräsidenten einfordert, ist es ein Abwägen zwischen Macht und Glaubwürdigkeit. Während die SPD damit mal wieder mit sich selbst beschäftigt ist, müssten die kleinen Parteien der Mitte, FDP und Grüne, ähnlich zu den Liberal Democrats in Großbritannien, ihre Chance ergreifen, Vorurteile über Board schmeißen und selbst Verantwortung für die Zukunft NRWs übernehmen.


Anfangs sah es so aus als ob die FDP ihre Möglichkeiten wittern würde: Andreas Pinkwart, der vor der Wahl (mittlerweile schon fast wieder vergessen) mit Kritik an Westerwelles Führungsstil Schlagzeilen machte, fing an, Signale an SPD und Grüne zu senden: Eine Ampelkoalition? Das wäre eine kleine Revolution in der FDP. Von der Isolation als kleiner Bruder der CDU und reine Steuersenkungspartei zu einer Koalition mit SPD und Grünen? Aber die FDP ist wohl noch nicht so weit. Schnell wurde zurückgerudert, nachdem Westerwelle diesen widerspenstigen Ideen eine Absage erteilt hat. Wenn es um Koalitionen geht, versteht Guido keinen Spaß. Es könnte am Ende ja keine Steuersenkungen dabei geben.

Das ist eine kurzfristige Sicht der Dinge. Westerwelle begründet seine Aussage damit, dass er nicht zum „Steigbügelhalter“ für Links werden wolle. Aber gerade dadurch, dass man sich einer Zusammenarbeit verweigert, wird doch entweder die verhasste Große Koalition oder sogar die Koalition mit der Partei deren Name nicht genannt werden darf, erst herbeigeführt. Geht für die FDP hier wirklich Partei-Interesse und die sogennante „Glaubwürdigkeit“ vor dem Interesse NRWs? Gefahr erkannt – Gefahr bewusst nicht gebannt? Das erinnert doch eher an Kindergarten-Auseinandersetzungen im Sandkasten.

Nach der Absage der FDP an die Ampel liegt es an den Grünen, endlich unideologische Politik zu betreiben. Es ist die Entscheidung zwischen Sozialer Marktwirtschaft auf der einen Seite, und einer Partei, die die DDR 2.0 predigt, in der Privateigentum und staatsunabhängige Initiative von Bürgern als Teil eines „Ausbeutersystems“ gesehen werden. Es ist verständlich, dass unter einer Jamaika-Koalition die Grünen den Ministerpräsidenten Rüttgers nicht akzeptieren würden. Armin Laschet hingegen, der bisherige CDU-Integrationsminister, der von Rüttgers noch am Wahlabend ins Feld geschickt wurde, könnte ohne weiteres freidemokratische und grüne Positionen mit christdemokratischen Standpunkten verbinden. Es wäre ein positives Zeichen, wenn die Grünen mit der Unterstützung für einen Ministerpräsidenten Laschet das Bemühen der Schwarz-Gelben Koalition, der pluralistischen Gesellschaft Nordrhein-Westfalen gerecht zu werden, honorieren würden.

Wie die Liberal Democrats in Großbritannien zeigen, verbindet die Liberalen aus FDP und Grünen doch mehr als sie trennen würde: Wirtschaftspolitische und ökologische Nachhaltigkeit gepaart mit einer Verpflichtung für die Freiheit des Einzelnen. Das ist die Politik der Stunde. Jetzt ist die Zeit gekommen, dass sich FDP und Grüne von parteipolitischen Schablonen und Klischees lösen und das Schicksal NRWs gemeinsam gestalten.

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