Donnerstag, 20. Mai 2010

Reclaim Your Flohmarkt! Wie Regulierungen eine Tradition angreifen

Am vergangenen Wochenende fand in Münster auf der Promenade der erste große Flohmarkt dieser Saison statt. Dieses Mal jedoch, so mussten viele Verkäufer feststellen, war alles anders. Bereit, ihre Stände aufzubauen trudelten die ersten Münsteraner am Freitag Abend auf der Promenade ein, um festzustellen, dass diese mit Kreide in kleine Pazellen eingeteilt war: Für registriere Stände. Traditionell konnte der Standaufbau am Freitag abend stattfinden und der Nachtverkauf gehörte zu den unbestrittenen Highlights des Flohmarkterlebnisses, für das sogar Leute aus dem Umland in die Domstadt kommen. Am Freitag wurden die verkaufslustigen Münsteraner Flohmarkt-Kapitalisten aber von Sicherheitskräften abgewiesen und ihnen mitgeteilt, dass der Aufbau erst am Samstag morgen erlaubt sei und man sich online registrieren müsse: 7,50 Euro pro 3 Meter Stand wurden ebenfalls zur Pflichtabgabe gemacht.


Die Messe und Congress Centrum Halle Münsterland GmbH hat von der Stadt Münster das Recht erworben, die Standplätze einzuteilen und zu vermieten, sprich: eine Eintrittsgebühr für einen Markt zu etablieren. Um den Profit für dieses von der Stadt kreirte Monopol zu vergrößern, wurde der Zeitrahmen des Flohmarkts um die Nacht von Freitag auf Samstag verkleinert, denn nur so können die Sicherheitskräfte die Regeln dieses Monopols aufrecht erhalten.


Was der Sache die Krone aufsetzt, ist, dass die Westfälischen Nachrichten dann auch noch schreiben, das neue System sei zwar nicht so romantisch, dafür aber „fair“. Diese seltsame Schlussfolgerung wird aus der Tatsache gezogen, dass ja nicht mehr das kapitalistische „Wer zuerst kommt, malt zuerst“ des kalten Marktes herrscht, sondern jeder gleichermaßen eine Registrierung vornehmen kann. Doch was ist daran „fair“? Eine Eintrittsgebühr für eine freie Teilnahme am Wettbewerb und das ganze ist von der Stadt gewollt? Ein Monopol, von der Stadt vergeben, diktiert die Bedingungen für eine Teilnahme am Wettbewerb und das soll zu mehr Gerechtigkeit führen?


Auf diese Weise wird eine vom Staat unhabhängig gewachsene Münsteraner Tradition zu Tode reguliert. Die Sommer-Romantik eines nächtlichen Flohmarkt-Spaziergangs bleibt auf der Strecke und die Partizipation von denen, die eben keine 7,50 Euro bezahlen wollen, wird gefährdet.


Widerstand gegen diesen beklagenswerten Umbruch kommt in erster Linie von Links, die die freie Marktwirtschaft (Privatisierung) als Ursache des Übels ausmacht. Was dabei nicht bedacht wird, ist, dass es sich hierbei nicht um ein Problem des Marktes, sondern des Staates (der Stadt), die einer privaten Firma ein Monopol verschaffen hat. In der Konsequenz stirbt der Münsteraner Flohmarkt als Archetyp des freien, unregulierten Marktes einen stillen Tod...


Allen, die den freien Flohmarkt in Münster retten wollen, sei geraten, sich am Mittwoch, den 26. Mai 2010 ab 20 Uhr im linken Cafe Don Quijote, Scharnhorststr. 57, Münster, unter dem Motto "Reclaim Your Flohmarkt!" zu treffen.


Es geht nicht um rechts oder links – es geht um Partizipation am (Floh-)Markt und damit um die Soziale Marktwirtschaft vor Ort!

Freitag, 14. Mai 2010

Mehr Kingston, weniger Düsseldorf: Ein Kommentar zur Landtagswahl in NRW

Vor wenigen Tagen ist in Nordrhein-Westfalen der Landtag gewählt worden. Schwarz-Gelb, die Regierung Rüttgers, die 2005 triumphal angetreten war das Land zu sanieren und „Privat vor Staat“ in der Herzkammer der Sozialdemokratie zu verwirklichen, ist abgewählt worden. Nicht mit einem Paukenschlag, wie uns Hannelore Kraft weismachen möchte, sondern auf leisen Sohlen. Die CDU hat verloren, satte 10.2 Prozent. Doch davon, dass die SPD „wieder da“ sei, kann keine Rede sein. Vielmehr ist das katastrophale Ergebnis von 2005 sogar nochmal unterboten worden. Es sind erstaunliche Parallelen festzustellen mit der Wahl in Großbritannien zwei Tage vor dem Urnengang in NRW: Auch dort ist die Regierung abgewählt worden, doch auch dort gibt es keinen strahlenden Sieger. Es ist eine Wahl, in der es jeder hinbekommen hat zu verlieren.

„Moment!“, rufen da die Grünen. „Wir haben doch 5.9 Prozent hinzugewonnen und unser Ergebnis fast verdoppelt.“ In der Tat, die Grünen können mit ihrem Ergebnis zufrieden sein. Nichtsdestotrotz hat es für Rot-Grün nicht gereicht, für die „trendige“ Koalition Schwarz-Grün a la Hamburg ebenso wenig. Für eine Regierung mit der Linkspartei würde es natürlich reichen. Doch jetzt liegt es an Hannelore Kraft sich die gleiche Frage zu stellen wie 90 Jahre zuvor Lenin: Was tun?


Es ist ein Vabanque-Spiel für die SPD-Spitzenkandidatin, das linke Spiel mit dem Feuer zu betreiben und sich auf ein Geschäft mit dem Teufel einzulassen. Da die CDU in einer möglichen Großen Koalition den Posten des Ministerpräsidenten einfordert, ist es ein Abwägen zwischen Macht und Glaubwürdigkeit. Während die SPD damit mal wieder mit sich selbst beschäftigt ist, müssten die kleinen Parteien der Mitte, FDP und Grüne, ähnlich zu den Liberal Democrats in Großbritannien, ihre Chance ergreifen, Vorurteile über Board schmeißen und selbst Verantwortung für die Zukunft NRWs übernehmen.


Anfangs sah es so aus als ob die FDP ihre Möglichkeiten wittern würde: Andreas Pinkwart, der vor der Wahl (mittlerweile schon fast wieder vergessen) mit Kritik an Westerwelles Führungsstil Schlagzeilen machte, fing an, Signale an SPD und Grüne zu senden: Eine Ampelkoalition? Das wäre eine kleine Revolution in der FDP. Von der Isolation als kleiner Bruder der CDU und reine Steuersenkungspartei zu einer Koalition mit SPD und Grünen? Aber die FDP ist wohl noch nicht so weit. Schnell wurde zurückgerudert, nachdem Westerwelle diesen widerspenstigen Ideen eine Absage erteilt hat. Wenn es um Koalitionen geht, versteht Guido keinen Spaß. Es könnte am Ende ja keine Steuersenkungen dabei geben.

Das ist eine kurzfristige Sicht der Dinge. Westerwelle begründet seine Aussage damit, dass er nicht zum „Steigbügelhalter“ für Links werden wolle. Aber gerade dadurch, dass man sich einer Zusammenarbeit verweigert, wird doch entweder die verhasste Große Koalition oder sogar die Koalition mit der Partei deren Name nicht genannt werden darf, erst herbeigeführt. Geht für die FDP hier wirklich Partei-Interesse und die sogennante „Glaubwürdigkeit“ vor dem Interesse NRWs? Gefahr erkannt – Gefahr bewusst nicht gebannt? Das erinnert doch eher an Kindergarten-Auseinandersetzungen im Sandkasten.

Nach der Absage der FDP an die Ampel liegt es an den Grünen, endlich unideologische Politik zu betreiben. Es ist die Entscheidung zwischen Sozialer Marktwirtschaft auf der einen Seite, und einer Partei, die die DDR 2.0 predigt, in der Privateigentum und staatsunabhängige Initiative von Bürgern als Teil eines „Ausbeutersystems“ gesehen werden. Es ist verständlich, dass unter einer Jamaika-Koalition die Grünen den Ministerpräsidenten Rüttgers nicht akzeptieren würden. Armin Laschet hingegen, der bisherige CDU-Integrationsminister, der von Rüttgers noch am Wahlabend ins Feld geschickt wurde, könnte ohne weiteres freidemokratische und grüne Positionen mit christdemokratischen Standpunkten verbinden. Es wäre ein positives Zeichen, wenn die Grünen mit der Unterstützung für einen Ministerpräsidenten Laschet das Bemühen der Schwarz-Gelben Koalition, der pluralistischen Gesellschaft Nordrhein-Westfalen gerecht zu werden, honorieren würden.

Wie die Liberal Democrats in Großbritannien zeigen, verbindet die Liberalen aus FDP und Grünen doch mehr als sie trennen würde: Wirtschaftspolitische und ökologische Nachhaltigkeit gepaart mit einer Verpflichtung für die Freiheit des Einzelnen. Das ist die Politik der Stunde. Jetzt ist die Zeit gekommen, dass sich FDP und Grüne von parteipolitischen Schablonen und Klischees lösen und das Schicksal NRWs gemeinsam gestalten.

Samstag, 24. April 2010

Ron Paul's What If ? Remastered


Pazifismus ist nicht "links". Liberalismus pocht auf konsequente Gewaltlosigkeit - friedliche Außenpolitik und minimale Zwänge von Seiten des Staates. Steuern sind eine Form von Gewalt, deren Anwendung gut begründet sein muss.

Donnerstag, 15. April 2010

I-Fire- Freiheit

"Linke Musik" für Liberale? - Aufräumen mit Vorurteilen

"Der eine sagt das und der andere sagt dies,

alle beiden haben Recht, kommt darauf an wie man's sieht."

- I-Fire (dt. Reggae-Band aus Hamburg) in "Zwei Dinge".

Es stimmt: Die Musik, die ich mir gerne anhöre, hat linke oder sogar linksradikale Texte. Vor ein paar Tagen wurde ich gefragt, wie das denn mit meiner eigenen politischen Einstellung zusammenpasst. Die Antwort ist: Sehr gut, denn liberal sein heißt skeptisch bleiben. Skeptisch und undogmatisch.

Die Philosophie des britischen Denkers Isaiah Berlin (1909-1997) ist für mich die Quintessenz dessen, was ich zur Grundlage meiner politischen Überzeugungen zu sagen habe: Der "real existierende Pluralismus", die Vielfalt unter den Menschen, macht es für uns notwendig, eine Staatsform zu finden, in der die verschiedenen Meinungen am besten in einen Austausch treten können, d.h. eine Gesellschaft, in der die größtmögliche Freiheit herrscht. Deshalb ist der Liberalismus die politische Richtung, die am ehesten der Vielfalt unter den Menschen gerecht wird.

Auf der Basis dieses Politikverständnisses kann man nun einen Blick auf die politische Musik in Deutschland werfen: Hierbei ist es nicht schwierig, große Parallelen zwischen der Stoßrichtung linker Protestmusik und den Idealen des Liberalismus zu erkennen. Staatskritik und die Themen Bürgerrechte und Pazifismus sind oft Mittelpunkt der Texte. Dabei kann man z.B. an Mono & Nikitaman mit "Ausser Kontrolle", Benjie mit "Wachtmeister", oder, wenn man eher in die elektronische Richtung geht, an Egotronic mit "Die Partei hat immer Recht" oder Plemo and Rampue mit "fancy uncontrolled" denken. Das sind nur ein paar Beispiele, wie sich liberale und linke Positionen in Songtexten sehr ähnlich sind.

Und selbst da, wo linke Texte und Liberalismus einfach nicht miteinander zu vereinbaren sind (ich denke da an Raggabund, Mellow Mark und viele andere) - es ist auch ein Zeichen einer liberalen Grundhaltung, sich selbst kritisch sehen zu können, sich in die Position eines Anderen hineinzuversetzen und sich Kritik auch vorbehaltslos anzuhören: Insbesondere, wenn sie gut klingt.

Donnerstag, 4. März 2010

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein

"Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für Taten, die auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen."
- §4, Strafgesetzbuch

Deutsche Flugzeuge sind ein Stück fliegende Bundesrepublik. Ein Mord auf einem Lufthansa-Flug wird nach deutschem Strafrecht verfolgt. Während ich für eine Tat nach amerikanischem Recht auf einem Delta-Flug verurteilt würde, könnte beispielsweise ein Air France-Flug die Sache juristisch schon ganz anders aussehen lassen. Inwieweit können Flugzeuge Inseln der Rechtsstaatlichkeit sein - oder eben der Unterdrückung? Genau das ist mir nämlich passiert.

Gebucht war der Transatlantik-Flug mit KLM, von Amsterdam abfliegend, vom Land der Freiheit ins Land of the free. Nun teilte mir KLM ein paar Wochen vor dem Flug mit, dass auf Delta, was Partner von KLM ist, umdisponiert worden sei. Was hieß dies für meine Rechte? Woher wusste KLM, ob ich den Flug auch mit Delta gebucht hätte angesichts der Tatsache, dass ich nun dem amerikanischen Recht unterlag? So wurde mir bereits über holländischem Luftraum ein Dosenbier verweigert. Durchs Fenster konnte man den Blick auf Wolkenmeere und den strahlend blauen Himmel werfen - das Gefühl grenzenloser Freiheit! Im Flugzeug selbst wird man seiner Bürgerrechte beraubt, weil man zufällig noch nicht 21 ist (ein von der amerikanischen Politik mehr oder weniger willkürlich festegelegtes Alter).

Wenn man das Gedankenspiel etwas weiter triebe: Würde man wegen des Besitzes von geringen Mengen Cannabis, die man während des Fluges in Speisen zu sich nimmt, auf einem Delta Flug von Amsterdam in die USA Ärger mit Delta bekommen, obwohl man die Droge ja noch nicht mal ins Land einführen wird? Müssen Homosexuelle auf einem Flug mit Qatar Airways Angst bekommen? Kann ich, wenn ich dem ganzen Flugzeug über deutschem Luftraum einen Vortrag zum Völkermord an den Armeniern halte, mit Turkish Airlines wegen "Beleidigung des Türkentums" in Konflikt geraten?

Bei der Vorstellung dieser Unfreiheit dort, wo doch eigentlich die Freiheit "grenzenlos" (d.h. nicht gleichzeitig "unbegrenzt") sein sollte, stellen sich - mir zumindest - die Nackenhaare auf...

Freitag, 15. Januar 2010

"Haschisch am Paulinum?" - Denunziantentum geht vor Selbstbestimmung

"Nachdrücklich bestätigen uns Fachleute in der Haltung, dass vor allem die konsequente und offene Aufklärung von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Umfeld der Schule das gesetzeskonforme Verhalten von Schülern nachhaltig stärkt. … Eltern und Mitschüler, die Hinweise auf Drogenkonsum weitergeben, helfen letztlich auch den Betroffenen." – Schulleitung des Gymnasiums Paulinum


„Wenn man von einem unerträglichen Druck loskommen will, so hat man Haschisch nötig.“ Friedrich Nietzsche


Das Paulinum, Deutschlands ältestes Gymnasium (gegründet 797) und Münsters Traditionsschule Nr. 1, macht Schlagzeilen im Zusammenhang mit Drogenkonsum. Sie ist zum Epizentrum einer Hetzjagd geworden, eines lokalen War on Drugs”, ausgerufen von schulischen Hütern der Moral. Die Bürgerschaft Münsters ist entsetzt: Nicht über die Art und Weise, wie hier Mitschüler denunziert werden und sich eine Kultur des Misstrauens entwickelt, sondern darüber, dass soetwas Furchtbares wie Cannabiskonsum in der Domstadt überhaupt passieren kann.


Es fing an mit einer Denunziation im November 2009: Ein Schüler des Gymnasiums Paulinum wollte wohl offensichtlich nicht mehr mit ansehen, wie sich seine Klassenkameraden zu Tode kifften und ergriff daher die Initiative, aus Nächstenliebe, der Schulleitung einen Hinweis darauf zuzustecken. Die Jagd auf die gymnasialen Drogenkonsumenten war eröffnet. Innerhalb weniger Tage”, so vermeldet das Paulinum stolz auf seiner Website, konnten die Übeltäter gefasst werden, die ihr Gras offenbar von einem Mitschüler erhielten, der wiederum Kontakte zu einem Schulfremden” unterhielt. Der Konsum, so viel gesteht das Paulinum immerhin ein, fand ausschließlich außerhalb des Schulgeländes statt, nur Geld zum Erwerb von Marihuana sei dort weitergegeben worden.


Natürlich beließ es die Schulleitung nicht dabei: Jetzt ging es zum nächsten Level, zur Verfolgung des Dealers. In enger Abstimmung mit dem Kommissariat des Polizeipräsidiums Münster” konnte der Zulieferer ermittelt werden. Der Dealer war geständig, die Kiffer am Paulinum kamen insgesamt mit einem blauen Auge davon, nur derjeniger Pauliner, der das Cannabis weitergegeben hatte, musste Ordnungsmaßnahmen seitens der Schule hinnehmen, allerdings “knapp unterhalb der Entlassung von der Schule”. So mild die Schulleitung letztlich die Strafen ausfallen ließ, offenbar selbst genervt, sich mit diesem Sachverhalt überhaupt auseinandersetzen zu müssen, umso erschreckender ist die Konsequenz, die aus diesem Fall gezogen werden:


Das Paulinum befürwortet Denunziationen von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, einem Gesetz, das vom Bundesverfassungsgericht 1994 als inkonsequent und bearbeitungsbedürftig bezeichnet worden ist (eine Mahnung, der der Gesetzgeber bis heute nicht nachgekommen ist!). Völlig sinnloses Anschwärzen bei staatlichen Autoritäten wird zur Heldentat erklärt, die doch auch den Betroffenen helfe (hatten wir das nicht schon mal?). Hieran wird deutlich, dass in Deutschland mit zweierlei Maß gemessen wird: Wenn jemand zum Schulleiter ginge und dort vermeldete, dass Schüler X in seiner Freizeit, obwohl unter 18, sich auf Parties westfälischen Doppelkorn hinter die Binde kippt, dann würde der Schulleiter sagen, dass sei seine Sache und habe mit der Schule nichts zu tun. Ob der Geldtransfer zum Kauf des Schnapses auf dem Schulgelände stattfand oder nicht, hätte keinen Menschen interessiert. Die Schule (und auch der Gesetzgeber) argumentiert mit dem Hinweis auf den Schutz der Bürger, auch vor sich selbst, für die Kriminalisierung auch “weicher Drogen”. Wieso werden dann in Deutschland Gelegenheitskiffer polizeilich verfolgt, während über Alkoholiker an der Schule nur der Kopf geschüttelt wird? Warum wird die Schulgemeinschaft durch die sinnlose Kriminalisierung einzelner Schüler, die sich eben für den Cannabiskonsum entschieden haben, unnötig belastet? Die Koma-Säufer werden sich ins Fäustchen lachen angesichts dieser staatlichen Willkür. Dies sollte nicht falsch verstanden werden: Es geht nicht um einen härteren Umgang mit Trinkern, sondern um eine Umdenken in der Drogenpolitik hin zum Recht der Selbstbestimmung.


Eine andere Folge im Fall des Paulinums ist die Verstärkung von “Drogenprävention” und Kampagnen wie Tagen zur Suchtvorbeugung in der Mittelstufe. Grundsätzlich muss Prävention von Liberalen immer einer unnötigen staatlichen Freiheitseinschränkung vorgezogen werden. Nichtsdestoweniger müssen beim Wort Prävention immernoch alle Alarmglocken schlagen: Der Staat greift ein, bevor überhaupt etwas passiert ist? Steuergelder werden eingezogen, um davon entweder gelangweilten oder erheiterten Mittelstufenschülern etwas über die Gefahren von Drogenkonsum zu erzählen? Sollten nicht Schulen unabhängig von Einzelmeinungen es den Schülern selbst in die Hand geben, was sie mit ihrem Leben machen wollen? Und dass es auch andere Meinungen gibt, abseits der Verteufelung von Drogenkonsum, ist nicht zu bestreiten: Es ist kein Zufall, dass die Legalisierungs-Bewegung in den USA ihre beiden Zentren in Berkeley, Kalifornien (Sitz der renommierten Berkeley University) und Cambridge, Massachusetts (Sitz der Harvard University) hat. Bildung und Drogenkonsum stehen nicht im Wiederspruch und wenn die Elite-Hochschulen dieser Welt Kiffer hervorbringen, dann wirkt das konservative Präventions-Geschrei bei uns (in das alle Parteien immer wieder gerne einstimmen) eher kleinkariert.


Damit sollen Drogen auf keine Weise verharmlost werden. Es geht nur darum, dass das Recht auf Selbstbestimmung höher geachtet werden sollte als der staatliche Eingriff zum “Schutz” mündiger Bürger. Schulen stehen in der Verantwortung, die Schüler über die verschiedenen Aspekte des Drogenkonsums zu informieren, Gefahren deutlich zu machen und so die Schüler in die Lage zu versetzen, verantwortungsvoll mit Drogen umzugehen. Hier gibt es riesige Defizite – in welcher Schule lernen Schüler schon, die Gefahren des Alkohols denen des Cannabiskonsums gegenüberzustellen? Aber unseren Schulen geht es hier nicht um das Wohl der Jugendlichen. Es geht darum, das gesetzeskonforme Verhalten nachhaltig zu stärken”. Doch jeder Mensch hat, nach Kant, das Recht, über seinen Körper frei zu verfügen und sich selbst dafür zu entscheiden, was er in seiner Freizeit macht, solange er die Freiheit anderer dabei nicht einschränkt. Diese Philosophie der Aufklärung wird am humanistischen Gymnasium Paulinum mit Füßen getreten.