Freitag, 15. Januar 2010

"Haschisch am Paulinum?" - Denunziantentum geht vor Selbstbestimmung

"Nachdrücklich bestätigen uns Fachleute in der Haltung, dass vor allem die konsequente und offene Aufklärung von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz im Umfeld der Schule das gesetzeskonforme Verhalten von Schülern nachhaltig stärkt. … Eltern und Mitschüler, die Hinweise auf Drogenkonsum weitergeben, helfen letztlich auch den Betroffenen." – Schulleitung des Gymnasiums Paulinum


„Wenn man von einem unerträglichen Druck loskommen will, so hat man Haschisch nötig.“ Friedrich Nietzsche


Das Paulinum, Deutschlands ältestes Gymnasium (gegründet 797) und Münsters Traditionsschule Nr. 1, macht Schlagzeilen im Zusammenhang mit Drogenkonsum. Sie ist zum Epizentrum einer Hetzjagd geworden, eines lokalen War on Drugs”, ausgerufen von schulischen Hütern der Moral. Die Bürgerschaft Münsters ist entsetzt: Nicht über die Art und Weise, wie hier Mitschüler denunziert werden und sich eine Kultur des Misstrauens entwickelt, sondern darüber, dass soetwas Furchtbares wie Cannabiskonsum in der Domstadt überhaupt passieren kann.


Es fing an mit einer Denunziation im November 2009: Ein Schüler des Gymnasiums Paulinum wollte wohl offensichtlich nicht mehr mit ansehen, wie sich seine Klassenkameraden zu Tode kifften und ergriff daher die Initiative, aus Nächstenliebe, der Schulleitung einen Hinweis darauf zuzustecken. Die Jagd auf die gymnasialen Drogenkonsumenten war eröffnet. Innerhalb weniger Tage”, so vermeldet das Paulinum stolz auf seiner Website, konnten die Übeltäter gefasst werden, die ihr Gras offenbar von einem Mitschüler erhielten, der wiederum Kontakte zu einem Schulfremden” unterhielt. Der Konsum, so viel gesteht das Paulinum immerhin ein, fand ausschließlich außerhalb des Schulgeländes statt, nur Geld zum Erwerb von Marihuana sei dort weitergegeben worden.


Natürlich beließ es die Schulleitung nicht dabei: Jetzt ging es zum nächsten Level, zur Verfolgung des Dealers. In enger Abstimmung mit dem Kommissariat des Polizeipräsidiums Münster” konnte der Zulieferer ermittelt werden. Der Dealer war geständig, die Kiffer am Paulinum kamen insgesamt mit einem blauen Auge davon, nur derjeniger Pauliner, der das Cannabis weitergegeben hatte, musste Ordnungsmaßnahmen seitens der Schule hinnehmen, allerdings “knapp unterhalb der Entlassung von der Schule”. So mild die Schulleitung letztlich die Strafen ausfallen ließ, offenbar selbst genervt, sich mit diesem Sachverhalt überhaupt auseinandersetzen zu müssen, umso erschreckender ist die Konsequenz, die aus diesem Fall gezogen werden:


Das Paulinum befürwortet Denunziationen von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, einem Gesetz, das vom Bundesverfassungsgericht 1994 als inkonsequent und bearbeitungsbedürftig bezeichnet worden ist (eine Mahnung, der der Gesetzgeber bis heute nicht nachgekommen ist!). Völlig sinnloses Anschwärzen bei staatlichen Autoritäten wird zur Heldentat erklärt, die doch auch den Betroffenen helfe (hatten wir das nicht schon mal?). Hieran wird deutlich, dass in Deutschland mit zweierlei Maß gemessen wird: Wenn jemand zum Schulleiter ginge und dort vermeldete, dass Schüler X in seiner Freizeit, obwohl unter 18, sich auf Parties westfälischen Doppelkorn hinter die Binde kippt, dann würde der Schulleiter sagen, dass sei seine Sache und habe mit der Schule nichts zu tun. Ob der Geldtransfer zum Kauf des Schnapses auf dem Schulgelände stattfand oder nicht, hätte keinen Menschen interessiert. Die Schule (und auch der Gesetzgeber) argumentiert mit dem Hinweis auf den Schutz der Bürger, auch vor sich selbst, für die Kriminalisierung auch “weicher Drogen”. Wieso werden dann in Deutschland Gelegenheitskiffer polizeilich verfolgt, während über Alkoholiker an der Schule nur der Kopf geschüttelt wird? Warum wird die Schulgemeinschaft durch die sinnlose Kriminalisierung einzelner Schüler, die sich eben für den Cannabiskonsum entschieden haben, unnötig belastet? Die Koma-Säufer werden sich ins Fäustchen lachen angesichts dieser staatlichen Willkür. Dies sollte nicht falsch verstanden werden: Es geht nicht um einen härteren Umgang mit Trinkern, sondern um eine Umdenken in der Drogenpolitik hin zum Recht der Selbstbestimmung.


Eine andere Folge im Fall des Paulinums ist die Verstärkung von “Drogenprävention” und Kampagnen wie Tagen zur Suchtvorbeugung in der Mittelstufe. Grundsätzlich muss Prävention von Liberalen immer einer unnötigen staatlichen Freiheitseinschränkung vorgezogen werden. Nichtsdestoweniger müssen beim Wort Prävention immernoch alle Alarmglocken schlagen: Der Staat greift ein, bevor überhaupt etwas passiert ist? Steuergelder werden eingezogen, um davon entweder gelangweilten oder erheiterten Mittelstufenschülern etwas über die Gefahren von Drogenkonsum zu erzählen? Sollten nicht Schulen unabhängig von Einzelmeinungen es den Schülern selbst in die Hand geben, was sie mit ihrem Leben machen wollen? Und dass es auch andere Meinungen gibt, abseits der Verteufelung von Drogenkonsum, ist nicht zu bestreiten: Es ist kein Zufall, dass die Legalisierungs-Bewegung in den USA ihre beiden Zentren in Berkeley, Kalifornien (Sitz der renommierten Berkeley University) und Cambridge, Massachusetts (Sitz der Harvard University) hat. Bildung und Drogenkonsum stehen nicht im Wiederspruch und wenn die Elite-Hochschulen dieser Welt Kiffer hervorbringen, dann wirkt das konservative Präventions-Geschrei bei uns (in das alle Parteien immer wieder gerne einstimmen) eher kleinkariert.


Damit sollen Drogen auf keine Weise verharmlost werden. Es geht nur darum, dass das Recht auf Selbstbestimmung höher geachtet werden sollte als der staatliche Eingriff zum “Schutz” mündiger Bürger. Schulen stehen in der Verantwortung, die Schüler über die verschiedenen Aspekte des Drogenkonsums zu informieren, Gefahren deutlich zu machen und so die Schüler in die Lage zu versetzen, verantwortungsvoll mit Drogen umzugehen. Hier gibt es riesige Defizite – in welcher Schule lernen Schüler schon, die Gefahren des Alkohols denen des Cannabiskonsums gegenüberzustellen? Aber unseren Schulen geht es hier nicht um das Wohl der Jugendlichen. Es geht darum, das gesetzeskonforme Verhalten nachhaltig zu stärken”. Doch jeder Mensch hat, nach Kant, das Recht, über seinen Körper frei zu verfügen und sich selbst dafür zu entscheiden, was er in seiner Freizeit macht, solange er die Freiheit anderer dabei nicht einschränkt. Diese Philosophie der Aufklärung wird am humanistischen Gymnasium Paulinum mit Füßen getreten.

1 Kommentar:

  1. Ich sehe, das Vorhaben der Öffnung der CDU/CSU gegenüber Liberalen und Linken wird sogleich an der Basis umgesetzt.

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